Crocodile Rock

Freitag, 25.12.2009

Warum wurde es denn eigentlich nicht endlich hell? Haile hatte die Abfahrt für 6:30 Uhr angesetzt und weil wir vorher noch schnell frühstücken wollten, klingelte der Wecker um viertel vor sechs. Sonnenaufgang in Äthiopien ist per definitionem immer um sechs Uhr (die Uhr richtet sich traditionell nach dem Sonnenaufgang, nicht andersrum – nur, damit da keine Missverständnisse entstehen!). Also müsste es doch … Konnte es aber nicht, denn dunkle Wolken hingen am Himmel. Der Sonnenaufgang war nur zu erahnen – schade, denn die Ahnung war ziemlich schön.

Das Frühstück fiel dann auch erst einmal aus, weil das Personal überfordert war. Nicht unbedingt ein gelungener Start in einen Tag, den wir uns doch so schön vorgestellt hatten: Vormittags stand der Nechi Sar Nationalpark auf dem Programm und der sollte sowohl tierreich als auch landschaftlich sehr schön sein.

Ist er tatsächlich, das war trotz Regenwolken zu erkennen. Tadesse hatte zwar einige Mühe, denn die Wege sind voller Geröll, eng, steil und bei Regenwetter auch noch ziemlich glitschig. Aber wie immer kutschierte er uns souverän durch die Landschaft. Den von Haile erhofften Löwen sahen wir zwar nicht, dafür jede Menge Zebras, Grant-Gazellen und endlich auch mal ein Phillips-Dikdik, das sich fotografieren ließ. Gesehen hatten wir nämlich fast jeden Tag einige Dikdiks, nur nie vernünftig vor die Linse bekommen.

Der wolkenverhangene Himmel war ärgerlich, die Tour trotzdem schön, vor allem, weil wir immer mal aussteigen und uns den Zebras und Antilopen nähern oder einfach die Aussicht bewundern konnten. Weniger angenehm waren dagegen die plötzlich in Scharen auftretenden Tsetsefliegen. Flucht ins Auto und Fenster schließen war angesagt.

Mittagspause in der Lodge und nachgeholtes Frühstück, darauf hatte Haile vehement bestanden. Das Service-Personal fand es allerdings alles andere als witzig, uns noch Frühstück bringen zu müssen. Aber gegen Haile hatten sie keine Chance. Sei’s drum, das Frühstück war in Ordnung, der Service leider auch an diesem Vormittag einfach nur schlecht. Extrem schade, weil es uns die ansonsten schöne und traumhaft gelegene Paradise Lodge ein wenig verleidete.

Kleine Wolkenlücken machten uns Hoffnung für den Nachmittag: Ziel war der „Krokodil-Markt“ auf dem Chamo-See. Und ich wollte unbedingt Pelikane sehen, damit hatte ich Haile schon tagelangt genervt. Nun also zumindest einzelne Wolkenlücken, durch die Sonnenstrahlen durchschauten. Und das erste, was wir am Ufer des Sees sahen war: ein Malachit-Eisvogel! Zu schnell für unsere Kameras, aber absolut ausreichend, um für gute Laune zu sorgen.

Die größten Krokodile überhaupt gäbe es im Chamo-See. Ja, na klar, für Haile gab es in Äthiopien ohnehin nur Superlative, deshalb lächelten wir bei dieser Aussage, kommentierten sie nicht weiter – und leisteten dann still und leise Abbitte, als wir die Kolosse sahen. Ob sie die größen überhaupt sind, keine Ahnnung. Aber es waren die größten, die wir bisher gesehen haben. Auf sechs bis sieben Meter Länge brachten die Krokodile es locker, die großen Exemplare auch auf deutlich mehr. Und die Bezeichnung „Krokodil-Markt“ war dann auch klar: Es herrschte reger Andrang, gleich mehrere Dutzend der Reptilien lagen am Ufer oder ließen sich durchs Wasser treiben. Baden im Chamo-See wird nicht empfohlen …

Das hatte uns schon mal beeindruckt und es sollte weitergehen: eine kurze Fahrt mit dem Boot, dann entdeckten wir entlang des Ufers hunderte von Pelikanen. Ein Anblick ganz nach meinem Geschmack – ich war nur etwas verstimmt, weil ich keinen Extender auf dem Tele hatte, Dirk hingegen mit gigantischer Brennweite fotografieren konnte. Grummel!

Zum Abschluss dann sogar noch Flusspferde, leider wurde das Wetter schlechter und somit auch das Licht. Sogar ein paar Regentropfen fielen. Zurück in der Lodge zeigte sich glücklicherweise schon wieder die Sonne, Gelegenheit ein Harar-Bier mit bestem Ausblick über den Nechi Sar-Nationalpark und die beiden Seen Chamo und Abaya zu genießen.

Der vorletzte Abend in Äthiopien, Zeit für ein vorläufiges Fazit beim Abendessen, das so lautete: spannende und hochinteressante Tour, aber auch anstrengend und mit vielen Eindrücken, die nachdenklich gemacht haben. Ob wir den Süden noch einmal bereisen werden, ist fraglich. Was nicht daran liegt, dass er nicht sehenswert ist, sondern vielmehr daran, dass er zur Kategorie „habe ich gesehen, abgehakt“ gehört. Den Norden Äthiopiens wollen wir schon gerne einmal sehen.