Folklore, Folklore!

Samstag, 26.12.2009

Wir hatten verabredet um halb acht morgens aufzubrechen, denn vor uns lagen über 500 Kilometer bis Addis Abeba. Und was uns zu Hause noch wie eine gute Halbtagestour ausgesehen hatte, erschien uns inzwischen unmöglich an einem Tag zu bewältigen. Also Abfahrt um halb acht. Und zum ersten Mal auf der gesamten Reise kamen Haile und Tadesse zu spät …

Wirklich fit sahen die beiden auch nicht aus, wir beließen es bei ein, zwei lästerlichen Kommentaren, schließlich waren die beiden bis dahin hochgradig zuverlässig gewesen. Wäre es nach uns gegangen, dann wären wir direkt nach Addis gefahren, ohne jeden Abstecher, ohne jeden Umweg. Aber Haile bestand auf einem letzten Abstecher zu den Dorze. Also bei wolkenverhangenem Himmel und Nieselregen rauf auf 3.000 Meter Höhe. Ich konnte mir wahrhaft Gemütlicheres vorstellen …

Am Ende hatte Haile wie so oft zu Recht auf den Ausflug bestanden: Zwanzig vor neun am Morgen und wir standen inmitten falscher Bananen mit einem großen Schnapsglas mit Selbstgebranntem. Das wärmte … Der Schnaps, hergestellt aus den falschen Bananenstauden, schmeckte erstaunlich lecker – war dann aber doch nicht der Hauptgrund dafür, dass wir den Besuch bei den Dorze als lohnenswert empfanden. Vor dem Schnaps hatten wir einen gebackenen Fladen aus falschen Bananen probiert (Geschmack durchaus in Ordnung, Geruch – zumindest für mein empfindliches Näschen – einfach widerlich). Eine Dorze-Frau hatte uns die einzelnen Schritte zur Herstellung dieser Fladen gezeigt. Und wenn man weiß, dass der Teig mehrere Wochen zwischen Bananenblättern vor sich hin was-auch-immer, dann wundert einen auch der Geruch nicht mehr.

Die weitere Fahrt nach Addis war lang und wurde immer wieder durch Eselskarren, Schlaglöcher und Rinderherden behindert – ein inzwischen bekanntes Bild für uns. Irgendwann kamen wir dann tatsächlich in der Hauptstadt an, Tadesse stürzte sich ins Verkehrschaos: Mannomann, dagegen ist der Verkehr in jeder italienischen Großstadt einfach nur harmlos und gesittet. Wir kauften noch Kaffee und bekamen mit einiger Mühe auf der Hauptpost sogar noch Briefmarken, um die Postkarten (vor allem an Regina!) zu verschicken. Es ist nämlich weder einfach, Postkarten noch die dazugehörigen Briefmarken aufzutreiben!

Unser Tageszimmer im Ghion-Hotel war in Ordnung, frisch geduscht fühlten wir uns gleich wohler und standen pünktlich um sieben bereit zur Abfahrt Richtung Abendessen. Hätten wir gewusst, was uns erwartete … Eine halbstündige Autofahrt später hielten wir vor einem Restaurant und wussten von Haile zweierlei: Es würde ein Buffet geben und die Musik könnte etwas lauter sein. Beides stimmte.

Das Essen war lecker. Punkt. Der Rest … au weia! Das Abendessen in diesem Lokal war Bestandteil unserer Tour gewesen und es war eindeutig für Touristen bestimmt, die, sagen wir mal etwas andere Schwerpunkte setzen, als wir das tun. Eine viel zu laute äthiopische Folklore-Band und Tänzer in wechselnden, vermeintlich authentischen Verkleidungen der unterschiedlichen Stämme Äthiopiens, die eher mittelmäßig gut choreografierte Tänze aufführten oder Playback sangen.

Haile, der gute Haile, versuchte das Beste daraus zu machen und uns jeden Tanz, jeden gezeigten Volksstamm zu erklären. Tadesse hingegen schüttelte sich stumm – ob vor Lachen oder Grausen war nicht immer eindeutig feststellbar. Und Dirk schaute einfach nur entsetzt drein. Drei Stunden lang. Es war schlichtweg nicht nach unserem Geschmack, aber es war gut gemeint. Und wenn man aufhörte, es ernst zu nehmen, war es durchaus unterhaltsam. Satt, zumindest zur Hälfte gut amüsiert und mit tauben Ohren brachen wir dann irgendwann zum Flughafen auf.

Abschied von Haile und Tadesse, Abschied von Äthiopien. Nach dem Stress beim Check-In und bei der Einreise fürchteten wir das Schlimmste – und wurden überrascht, denn alles ging schnell und problemlos vonstatten. Ein überpünktlicher, unspektakulärer Rückflug mit der Lufthansa, Winterkälte zu Hause und ein umso wärmerer Empfang durch die Herrmänner. Das Ende einer Reise, die uns noch lange beschäftigen wird, so viel ist sicher!