Freitag, 22.04.2011
Es passiert selten, aber es passiert: Wir waren noch satt vom Abendessen und beschränkten uns auf ein kleines Frühstück. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass wir schon um kurz nach neun startklar waren. Wir hatten gelesen, dass man am besten morgens früh in die Yerebatan-Zisterne gehen sollte. Prima, das bekamen wir hin. Obwohl wir die hundert Meter zum Hotel noch einmal zurückgelaufen waren, um das Stativ zu holen. Das wir dann am Eingang abgeben mussten, weil Stative nur gegen Gebühr erlaubt sind. Eine winzige Gebühr von 1.000 Türkischen Lira. Also dann ohne Stativ. Prima.
Die Yerebatan-Zisterne (Yerebatan Sarnıcı) ist ein spannender Bau, rot angestrahlte Säulen stehen im Wasser, von der Decke tropft es, insgesamt eine ganz ungewöhnliche Stimmung. Die Sache mit dem Stativ wurmt uns natürlich, es gibt leider auch keine wirklichen Möglichkeiten, die Kamera abzulegen. Lediglich ein Auflegen auf das umlaufende Geländer ist möglich. Optimal geht anders. Aber als schöne Erinnerung würden die Bilder schon taugen.
Als nächstes stand der Große Basar (Kapalı Çarşı) auf dem Programm. Im Reiseführer stand der schöne Hinweis, verlaufen gehöre hier einfach dazu. Von wegen, alles leere Versprechungen. Wir fanden die Orientierung zwar nicht einfach, aber verlaufen muss sich dort niemand. Im Vergleich zu Marrakesch war das geradezu ein Kinderspiel … Keinen Teppich, keine Lederjacke und auch kein echtes Marken-T-Shirt haben wir erstanden. Schande über uns. Der Große Basar gefiel uns trotz der doch sehr touristischen Ausrichtung ganz gut – nur mit Marrakesch darf man ihn nicht vergleichen, dann zieht er den Kürzeren.
Viel besser gefiel uns da schon der Ägyptische Basar (Mısır Çarşısı), den wir als nächstes ansteuerten. Allerdings nicht ganz auf direktem Weg, denn unterwegs lachte uns eine Teigstange mit viel fettigem Käse und türkischer Salami an. Das Frühstück war eben nicht so üppig gewesen … Also der Ägyptische Basar: Allein die Gerüche der Gewürzstände begeisterten uns, wir liefen schnuppernd durch die Gänge. Und diese vielen fetttriefenden Süßigkeiten … Schon wieder Hunger, oder was?
Nein, wir blieben standhaft – und genehmigten uns zehn Minuten später ein Bratfisch-Brötchen an der Galata-Brücke. Das gehörte schließlich dazu. Die irgendwie folkloristisch verzierten Schiffskutter schaukelten ganz schön auf den Wellen und wir fragten uns, wie viel Bratfisch da wohl regelmäßig danebengeht und im Wasser landet. Weiter ging es über die Galata-Brücke, wo ein eisiger Wind fegte. Und wo leider nur sehr wenige Angler standen. Schade, denn das war ein Fotomotiv, auf das wir uns durchaus gefreut hatten. Immerhin hatten wir von der Brücke aus nochmal einen schönen Blick auf die Neue Moschee, die wir vorher besichtigt hatten. Und die uns – obwohl der Reiseführer sie als wenig sehenswert abgetan hatte – von allen Moscheen, die wir gesehen hatten, am besten gefiel.
Ein anderes Wunsch-Motiv waren die Kamondo-Stufen, die Henri Cartier-Bresson mit einem Foto berühmt gemacht hat. Eine Schaubesche Erfolgsstory wurde das allerdings nicht: Ich bekam den richtigen Winkel irgendwie nicht hin, das Licht war schwierig – und ich war genervt! Und dann gibt es da diese Gleichung: Genervte Niki + steile Straßen = blöde Idee! Ratet mal, was als nächstes kam. Rüschtüsch: eine ziemlich steile Gasse, die sich zum Galata-Turm hinaufzog. Grummel. Na gut, so schlimm war es gar nicht, irgendwie hatte Istanbul insgesamt eine ziemlich beruhigende Wirkung auf mich.
Den Galata-Turm strichen wir dann trotzdem von der Liste, denn davor wartete eine elend lange Schlange und nur für ein bisschen Aussicht wollten wir uns das nicht antun. Da tranken wir doch lieber einen Cay zum Aufwärmen. Wir machten uns langsam auf den Rückweg, bogen aber vor der Galata-Brücke links ab und suchten den vermeintlich besten Baklava-Laden Istanbuls. Also ob es wirklich der beste ist, können wir nicht beurteilen – die Zeit hat nicht gereicht, alle zu probieren und vermutlich grenzt das auch an Selbstmord. Aber wir können sagen: Das Baklava ist gigantisch lecker! Wir hatten uns ein paar Stück mitgenommen und uns damit am Bosporus-Ufer in die Sonne gesetzt. Ein Traum, was braucht man mehr?
Den Abschluss des Besichtigungs-Tages sollte die Süleymaniye-Moschee machen. Und die lag schon wieder oben auf einem Hügel. Irgendwie waren wir dauernd unten und alles andere oben. Warum hatte uns eigentlich niemand gesagt, dass Istanbul derart hügelig ist? So langsam wurden wir müde, deshalb fiel die Besichtigung eher kurz aus. Ja, die Süleymaniye-Moschee ist sehenswert. Aber ehrlich gesagt hat mir die Neue Moschee mit ihren gekachelten Säulen besser gefallen, die wir vormittags auf dem Weg zur Galata-Brücke noch besichtigt hatten. Schade ist, dass man die Moscheen von außen kaum in Gänze erfassen kann. Denn von außen mag die Süleymaniye tatsächlich – wie in den Reiseführern beschrieben – die schönere sein.
Auf dem Weg zurück zum Hotel kamen wir übrigens an der Yerebatan-Zisterne vorbei. Und dann wussten wir auch, warum man dort morgens früh sein sollte: Die Schlange war sicherlich fünfzig Meter lang. Das hätten wir uns nicht antun wollen.
Wir waren also zurück im Hotel, ruhten uns aus und warteten. Auf einen Anruf, der auch prompt kam: Müge rief an um uns zu erklären, wo wir uns treffen würden. Um viertel nach sieben sollten wir an der Tünel-Station sein. Also erst die Straßenbahn bis Eminönü, dann über die Galata-Brücke und mit dem Tünel zum Treffpunkt. Klang ganz einfach, war es auch. Ja und dann – ein Wiedersehen nach 27 Jahren! Wir waren beide ein klein wenig sprachlos, aber das gab sich schnell. Wir hatten viel zu erzählen und wussten doch nicht, wo wir anfangen sollten. Das war aber auch nicht so wichtig. Wichtiger war, dass uns beiden die vielen Jahre plötzlich gar nicht so lange vorkamen. Ich war (und bin!) auf jeden Fall glücklich, dass wir uns wiedergefunden haben.
Nach dem Abendessen schlenderten wir zum Taksim-Platz; Müge wollte uns ihr Istanbul, das moderne Istanbul zeigen. Die Straßen waren voller Menschen, der lapidare Kommentar dazu war nur: „Das ist normal, hier ist es immer voll.“ Es war bitterkalt, wir froren alle drei wie die Schneider. Da half nur noch ein wärmender Kaffee. Und ein Stück Kastanienkuchen für Dirk. Müge entschied sich für die türkischen Profiterol (die mit den französischen nur entfernt verwandt sind). Allerdings bekam sie davon nur die Hälfte. Die andere naschte ich weg … Lecker! Irgendwann wurden wir dann dezent darauf aufmerksam gemacht, dass das Café demnächst schließen würde. Ein Blick auf die Uhr, hoppla, es war schon kurz nach Mitternacht. Also Abschied nehmen, wir würden uns an diesem Wochenende nicht mehr sehen, eine traurige Familienangelegenheit in Müges Familie verhinderte das.
Müge organisierte uns ein Taxi, machte dem Fahrer unmissverständlich klar, dass das Taxameter und sonst nichts zählen würde und wir erlebten die türkische Fahrweise. Oh ja, seitdem glauben wir gerne, dass die Türken die Unfallstatistik der EU anführen. Und dass die Istanbuler innerhalb der Türkei absolute Spitze sind … Das Taxameter zeigte am Ende der Fahrt übrigens sage und schreibe 11 TYL an.