Mittwoch, 28. September 2016
Kalt, kalt, kalt. Wir bibbern uns früh aus dem Zelt, um fertig zu sein, wenn Ina kommt. Aber wir haben keine Chance. Die alte Dame ist mit ihrem alten Landy weithin zu hören und steht bereits um zwanzig vor acht neben uns. „Take your time, don’t hurry.“ Spricht’s, nimmt sich ihre alte, abgegriffene Bibel und liest seelenruhig.
Natürlich hetzen wir uns jetzt doch. Und vielleicht ist das auch ganz gut so, sonst hätten wir bei tausend Dingen noch stundenlang überlegt, ob wir sie mitnehmen. Die Reste aus unserem Kühlschrank vermachen wir Ina, die wären ungekühlt bis Keetmanshoop nur schlecht geworden. Wir stoppen noch kurz am Farmhaus, weil Ina unsere Fahrzeugpapiere kopieren muss und am Ende ist es dann doch viertel nach acht, bis wir loskommen.
Allemal früh genug, die knapp 60 Kilometer bis Keetmanshoop schafft man in einer Stunde. Und Ina, das merken wir schnell, schafft sie vermutlich auch in 45 Minuten. Wir staunen nicht schlecht, mit welchem Tempo die „Renn-Oma“ ihren Landy fährt, und grinsen ein wenig vor uns hin. So lange, bis uns dieser kleine Troll wieder einholt, der uns schon den ganzen Urlaub verfolgt.
Ein Geräusch irritiert uns alle drei. Da stimmt etwas nicht. Ina fährt an den Straßenrand, wir steigen aus. Herzlichen Glückwunsch, den linken Hinterreifen hat es komplett zerfetzt. Ein fast neuer Reifen, totalmente zerstört. Das gibt es eigentlich gar nicht. Aber diesen Spruch gewöhne ich mir hier und jetzt langsam ab …
Keine Sorge, es wird noch besser. Der Wagenheber ist mit Schlössern gesichert. Ina und Dirk probieren jeden erdenklichen Schlüssel. Ohne Erfolg. Nur Johann kann jetzt noch weiterhelfen. Und der ist in Kapstadt. Anrufen. Wir sind etwa zehn Kilometer von der Farm entfernt und, wen wundert das jetzt noch, natürlich mitten in einem Funkloch. Eine wunderbare Gelegenheit, unser Satellitentelefon zum Einsatz zu bringen.
Johann kennt den richtigen Schlüssel; der klemmte nur. OK, super. Aber wo lässt sich denn jetzt der High Lift ansetzen?! Die übliche Stelle ist wegen des Aufsatzes auf dem Landy nicht erreichbar und jede andere Stelle scheint Ina und Dirk nicht tauglich. Und auch ein erneuter Anruf bei Johann bringt keine Erleuchtung, denn die Stelle, die er vorschlägt, ist definitiv nicht tauglich.
Da hilft nur eins: Nochmal über den Satelliten telefonieren; diesmal ruft Ina auf der Farm an, wo Sanette dann Anton losschickt, um Martin aufzutreiben … Der vierte Anruf geht an den Fahrer unseres Mietwagens. Inzwischen ist es nämlich schon kurz nach neun und Martin ist noch nicht in Sicht. Er kommt aber überraschend schnell, grinst und scherzt, der Kerl ist einfach unglaublich. Und wenn man weiß, wie es geht, dann geht es auch schnell.
Gegen halb zehn sind wir erneut unterwegs – und Ina drückt kräftig auf die Tube. In Keetmanshoop haben wir dann auch nur eine knappe halbe Stunde Verspätung, jetzt wird es aber eng mit Inas Zahnarzttermin. Uns ist das unangenehm, sie aber besteht darauf, mit uns zusammen zu warten, bis der Fahrer kommt, den wir nun anrufen.
Glücklicherweise kommt der Fahrer binnen fünf Minuten, wir erledigen den Papierkram, packen unseren Kram von der Ladefläche des Landys in den Hilux und verabschieden uns von Ina. Ein herzlicher, ein inniger Abschied, bei dem wir uns gegenseitig versichern, dass wir uns wiedersehen werden.
Jetzt haben wir also ein Auto. Und haben uns auch schon zum ersten Mal über die Autovermietung aufgeregt, die den Laderaum derart vollgestopft hat, dass wir Mühe haben, unsere Taschen unterzubringen. Fünf Minuten und schon wissen wir wieder, warum wir uns irgendwann ein eigenes Auto gekauft haben. Ärger und Stress und Kosten hin oder her.
Egal, dieses Auto ist unsere einzige Chance auf eine Woche in der Kalahari. Wir kaufen im Shoprite ein, schließlich ist der Kühlschrank ja leer, besorgen bei Cymot noch eine Ammobox, um das Chaos in diesem Mietwagen in den Griff zu bekommen, und machen uns dann auf den Weg zur Mesosaurus Fossil Site.
Giel begrüßt uns und wir sind froh, endlich wieder hier zu sein. Wir nehmen noch einen Sack Holz mit, lehnen bedauernd ab, heute Nachmittag den Mesosaurus Walk mit ihm zu machen (wir müssen das neue Auto organisieren) und fahren dann zum Bush Camp. „Unser“ Platz ist besetzt, also nehmen wir den daneben und fangen an, uns die Campingausrüstung genauer anzuschauen.
Grauenvoll, alt und verranzt trifft es wohl ganz gut. Außerdem fehlen zwei Becher, die angeblich da sein sollten. Wirklich happy sind wir damit nicht. Mantra-artig murmeln wir vor uns hin, dass wir froh sein können, überhaupt ein Auto bekommen zu haben. Wir sind müde, es pfeift ein bitterkalter Wind, wir sind gestresst von dem vielen Hin und Her und wir haben noch nichts gegessen. Keine gute Kombination.
Zudem hat das Chaos der letzten Tage unser „Energiemanagement“ durcheinander gebracht. Die Folge ist ein komplett leerer Fotoakku und mehrere halbvolle. Das kann übel schiefgehen. Also fährt Dirk nochmal zur Rezeption und bittet Giel, über Nacht wenigstens einen Akku aufzuladen. Das macht er auch gerne, da allerdings alle Steckdosen belegt sind, bringt er den Akku ins Haus seines Sohnes auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Den Akku müssen wir dann zwar morgen früh abholen und kommen damit später los, als geplant – aber immer noch besser als ein leerer Fotoakku. Wir grillen früh, verzichten vorerst auf den Sundowner (ich trinke den ja aus vielem, aber nicht aus Plastik-Kaffeebechern) und setzen alle unsere Hoffnungen auf den Shop in Twee Rivieren.
Wir haben es geschafft. Und wir sind geschafft. Gute Nacht!