Freitag, 30. September 2016
Wir waren schon ein paarmal an diesem Schild vorbeigefahren. Der Hinweis auf einen Coffeeshop in Koes. Koes. Am Rande der Kalahari. Am Rande des Nichts. Was kann das schon sein? Europäische Überheblichkeit. Und dann empfiehlt Giel gestern genau diesen Coffeeshop in den höchsten Tönen.
Keine Frage, dass wir also heute dem Schild folgen würden. Zumal wir ohne Frühstück losgefahren waren, um erst einmal ein paar Kilometer zu machen und voranzukommen. Nach gut anderthalb Stunden Fahrt taucht das Schild wieder auf, wir folgen ihm – und sind entzückt. Ja, entzückt. Dieser etwas angestaubte Begriff ist das einzig treffende Wort für das, was wir sehen.
Ein liebevoll tüddeliger kleiner Vorgarten mitten in der Wüste, mit ein paar Tischen und Stühlen und jeder Menge Deko-Kram, wie man ihn sonst nur aus Teestuben bei uns zu Haue kennt. Wollt ihr Kaffee? Auch etwas zu essen? Bestätigendes Nicken. Ok, wie wäre es mit Rühreiern mit Speck und Toast? Wunderbar! Wir setzen uns in den Garten, hören dem Geklapper aus der Küche zu und freuen uns auf ein ordentliches Frühstück.
Und wie ordentlich. Und wie liebevoll angerichtet. Es schmeckt herrlich und wir könnten noch stundenlang hier sitzen. Den Hunden wäre das sicherlich auch recht, denn die haben in mir eine willige Kraul- und Spielpartnerin gefunden. Aber die Kalahari ruft und wir wollen heute keine Hektik.
Die Fahrt durch die Dünen ist schön, aber lang. Unser „Fotoplatz“ ist ein willkommener Zwischenstopp auf dem Weg nach Mata Mata. Am Mittag sind wir an der Grenze, wo die Abfertigung auf beiden Seiten diesmal extrem schnell vonstatten geht. Soll uns recht sein. Wir reduzieren noch den Reifendruck, bauen die Kameras auf „Game watching-Modus“ um und starten in Richtung Twee Rivieren.
Springböcke, Oryx, Gnus lassen sich blicken. Weit entfernt unter einem Baum auch drei Geparden mit einem gerissenen Springbock. Anonsten bleit es unspektakulär. Das ist uns gar nicht unrecht, denn wir wollen eigentlich erst einmal recht fix nach Twee Rivieren und den Papierkram erledigen. Danach haben wir mehr Ruhe für Tiersichtungen.
Gegen vier Uhr sind wir da, die Formalitäten sind recht schnell erledigt, nächster Stop: Der Shop und vor allem der dortige ATM. Wir brauchen Rand zum Einkaufen. Und da schlägt der kleine Chaos-Troll wieder zu. Oh, sorry, der Automat sei leer. Aha … Aber zumindest in Twee Rivieren können wir mit Karte zahlen. Ach so, und die Kollegin füllt gerade auf. Na dann ist ja gut.
Wir kaufen fertig ein, zahlen, gehen zum ATM – bis dahin haben drei Jungs aber schon wieder alles verfügbare Bargeld rausgeholt. Äh … moment mal. Der Automat hat noch genau 200 Rand, das nutzt uns rein gar nichts. Aber angeblich kann man uns an der Rezeption Geld wechseln. Ok, da müssen wir sowieso hin, weil da die provisorische Dieseltankstelle aufgebaut ist.
Tatsächlich bekommt Dirk an der Rezeption 1.000 Rand, das Tanken können wir mit Karte zahlen, das sollte dann locker reichen. Wir freuen uns auf unsere Campsite und ulken herum, dass da jetzt bestimmt schon jemand steht, wenn wir kommen. Hätten wir doch bloß die Klappe gehalten.
Rooiputs No. 1 ist ganz offenbar von einem Südafrikaner erobert worden. Der komplette A-Frame ist eingebaut, umgebaut, ausgebaut, da drinnen sieht es aus wie in unserem Wohnzimmer. Na bravo. Und jetzt? Natürlich ist niemand da; es ist halb sechs, beste Game Drive-Zeit. Uns bleibt nur warten und hoffen, dass die Südafrikaner die Zeit bis zum Gate Closing nicht voll ausnutzen.
Wir schauen uns währenddessen um, welche Campsites denn frei sind. No. 2 und 3 sind offensichtlich belegt, die No. 6 auf der anderen Seite auch; No. 4 könnte frei sein und No. 5 ist ganz offensichtlich frei. Aber die will ja auch niemand freiwillig haben … Zurück an der No. 1 sind auch die Belagerer eingetroffen. Ein dicker Südafrikaner und seine Frau. Er hebt sofort abwehrend die Hände, noch bevor wir aus dem Auto ausgestiegen sind …
Die Story geht so: Er hat zehn Tage Rooiputs gebucht. Für acht davon hat er Campsite No. 1, dazwischen (nämlich an genau „unseren“ beiden Tagen) sollte er auf die Zwei umziehen. Das war ihm aber zu anstregend mit all seinem Krempel; zudem ist seine Frau schwerkrank und körperlich extrem unfit. Er gibt zu, dass er auf der falschen Campsite steht, bittet aber um Verständnis. Ok, das verstehen wir sogar fast.
Aber dann müsste ja die No. 2 frei sein. Ist sie aber nicht. Da stehen vier Südafrikaner, die eigentlich auf die Fünf gebucht waren, denen es dort aber nicht gefallen hat. Wir kochen innerlich über so viel Dreistigkeit. Aber es ist schon spät, wir sind müde und wir wollen für die eine Nacht keinen Streit mehr anfangen. Also vereinbaren wir mit dem Südafrikaner, dass wir uns auf die Vier stellen (sowieso die schönste Campsite in Rooiputs :)) und hoffen, dass niemand mehr kommt.
Sollte doch noch jemand kommen, dann stellen wir uns zu ihm auf die Eins. Er bedankt sich überschwenglich, seine Frau schenkt uns hausgemachte, getrocknete Boerewors und er schließt uns dermaßen in sein Herz, dass er anfängt, uns seine Lebensgeschichte inklusive Arbeit für MAN in Deutschland zu erzählen. Am Ende will er uns gar nicht auf die Vier lassen, sondern an seinem großen Lagerfeuer beherbergen. Dirk zeigt deutliche Fluchttendenzen …
Wir trinken auf der Vier erst einmal einen Sundowner und räumen gar nicht groß unseren Kram aus. Dirk bekräftigt allerdings inzwischen, dass er lieber auf die No. 5 geht, statt sich den ganzen Abend das Ohr abkauen zu lassen. Aber es kommt niemand mehr. Also niemand außer dem dicken Mann, der uns im Namen seiner Frau eine zweite Boerewors schenkt und uns erklärt, auf seiner Farm und den Farmen seiner Kinder seien wir übrigens jederzeit willkommene Gäste. Und wenn wir ihm unsere Adresse geben, dann besucht auch er uns in Deutschland und wohnt bei uns …
Er lässt uns kopfschüttelnd zurück. Wir grillen und wundern uns noch eine Weile über diese Begegnung. Was für ein Tag!