EXKURS: Äthiopien – gar nicht so ungeschminkte Eindrücke

Wir sind jetzt seit einer guten Woche im Süden Äthiopiens unterwegs und haben bereits so viele Eindrücke gesammelt, dass wir sie wohl erst zu Hause vollständig verarbeiten werden. Nein, wir konnten uns vor dieser Reise nicht vorstellen, dass diese vielen verschiedenen Völker wirklich noch im Alltag ihre Traditionen leben. Wir hatten aus unserer westeuropäischen Sicht heraus vielmehr mit so etwas wie „Museumsdörfern“ gerechnet, niemals mit dem echten, ungeschminkten Leben (wobei – eigentlich sind die meisten hier ziemlich geschminkt, sprich bemalt, aber das ist ein anderes Thema).

Nun werden wir jeden Tag mit Völkern und Stämmen konfrontiert, deren Lebensweisen, Traditionen, Riten uns einfach nur archaisch und unzeitgemäß vorkommen. Eine Reise in eine andere Zeit. Und es fällt uns schwer damit umzugehen. Können wir einfach nur beobachten, ohne dabei zu verändern? Ist es überhaupt in Ordnung, dass wir hier stehen und schauen? Aber wir können doch auch nur verstehen, was wir selbst gesehen haben. Was ist denn eigentlich das Ideal des Touristen? Und überhaupt: Wie sollen wir uns verhalten?

„Photo, make photo, 2 Birr!“ Ja, wir wollen Fotos machen. Weil wir gerne fotografieren. Weil wir denen zu Hause zeigen wollen, was wir gesehen und erlebt haben. Aber was richten wir damit an? Nüchtern betrachtet ist es ein Vertrag: Du lächelst in meine Kamera, ich bezahle dich dafür. Das Gefühl ist jedoch ein anderes: Nutze ich mein Gegenüber jetzt aus, degradiere ich es zum (Foto-)Objekt? Und was vermittle ich dem Menschen mir gegenüber damit eigentlich?

Es ist ein permanenter Widerstreit der Gefühle, der nicht gerade gemildert wird, wenn wir andere Touristen beobachten, die sich benehmen wie im Zoo. Ja, es ist alles neu, anders, aufregend. Aber muss ich deshalb den Kolonialisten raushängen lassen? Aber vielleicht ist auch das schon wieder typisch westlich gedacht …