Donnerstag, 17.12.2009
Frühes Aufstehen war angesagt, denn vor dem langen Weg nach Yirga Alem wollten wir noch in den Bale Mountains National Park fahren und Ausschau nach dem Abessinischen Wolf halten. Also Abfahrt um sieben und eine Minute später schon der erste Stopp: Tadesse konnte seine Brieftasche nicht finden. Weder im Auto, noch im Hotel war das gute Stück samt Pass, Führerschein und Geld zu finden. Toller Anfang. Tadesse war geknickt, Haile redete auf ihn ein, wir verstanden mal wieder kein Wort.
Um nicht zu viel vom schönen Morgenlicht zu verlieren, wurde das Problem erst einmal vertagt, der Bale NP wartete. Wo war denn nun der Wolf? Auf gut 4.100 Metern hielten wir an und gingen zu Fuß weiter. Da war er: Haile und der ortskundige Führer fingen an, dem Tier hinterherzujoggen und wir samt Kameras natürlich auch. Offen gesagt gibt es in dieser Höhe und nach zwei kompletten Tagen in Flugzeug und Auto bessere Ideen – es sei denn, man will sich einmal im Leben fühlen und anhören wie eine rostige Dampflok.
Dirk hatte eindeutig mehr Luft als ich und konnte sogar ein paar Fotos vom Wolf machen. Wir hatten viel Glück an diesem Tag und sahen später noch einige wunderschöne Exemplare dieser schlanken Tiere – eines sogar beim Jagen. Dann noch ein paar Höhenmeter mehr und ein bewundernder Blick in die Weite vom Tullu Deemtu, Äthiopiens zweithöchstem Berg mit immerhin 4.377 Metern. Irgendwann war Zeit, nach Goba zurückzufahren, denn da war ja noch das Problem mit Tadesses Brieftasche. Der Verlust musste bei der Polizei angezeigt werden. Einen Brief müsse die Polizei dann für Tadesse schreiben, erklärte uns Haile in beinahe perfektem Deutsch. Noch ahnten wir nicht, wie wörtlich das zu nehmen war.
Wir fuhren also zur Polizeistation, Tadesse begann, mit den Beamten zu diskutieren und wir liefen mit Haile in die Stadt, um die Zeit mit einem Kaffee zu überbrücken. Am Ende sollte es geschlagene zweieinhalb Stunden dauern, bis Tadesse uns endlich wieder einsammelte. Und der Brief, ja, das war wirklich einer: eine halbe Seite lang, handgeschrieben auf einem linierten Blatt Papier und mit gleich drei hochoffiziellen Stempeln versehen. Eigentlich eine Sache von maximal zwanzig Minuten. Wir sind inzwischen allerdings oft genug in Afrika gereist um zu wissen: Schnell geht hier gar nichts, alles dauert lange und Bürokratie dauert länger – that’s Africa! Wir lieben es trotzdem …
Ändern ließ sich daran und an dem Zeitverlust sowieso nichts mehr, also ertrugen wir vergleichsweise stoisch die lange und unbequeme Fahrt nach Yirga Alem. Dass die Fahrt allerdings so lange dauern würde, damit hatten wir nicht gerechnet. Wir fragten uns, ob Haile sich nicht schon früh morgens im Bale NP mit der Zeit verschätzt hatte, weil er einfach nicht genug von den Wölfen bekommen konnte. Unruhig wurden wir spätestens, als die Sonne schon untergegangen war und Tadesse trotzdem weiterhin mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die Straße entlangjagte – eine Straße, die von Menschen, unbeleuchteten Eselskarren und trutzigen LKW bevölkert wurde. Im Laufe der Reise lernten wir dann: Auto fahren in Äthiopien heißt grundsätzlich entweder stehen oder Vollgas (so viel „Vollgas“ die Straße eben zulässt, versteht sich). Frei nach Darwin überlebt dort nur der Stärkere.
Am Ende dann doch ziemlich genervt kamen wir gegen halb neun schließlich in der Aregash Lodge an und sagten Haile erst einmal, was wir von seiner Zeitplanung hielten (warum hatte er im Bale NP so herumgetrödelt?) und dass wir am nächsten Tag auf keinen Fall schon um acht Uhr wieder abfahrbereit wären, sondern frühestens um neun. Ziemlich geknickt zog er ab, tat uns dabei irgendwie leid – aber wir fühlten uns im Recht. Abendessen, schlafen, runterkommen.