Von Bergziegen und Schildkröten

Freitag, 18.12.2009

Ausgeschlafen und wieder deutlich besser gelaunt ließen wir uns in aller Ruhe das Frühstück schmecken und trafen Haile und Tadesse um viertel vor neun an der Rezeption. Auch die beiden sahen wieder entspannter aus. Wir wären gerne noch eine Nacht länger in der Aregash Lodge geblieben, aber das Tourprogramm war aufgrund unserer knappen Zeit straff organisiert. Selbst schuld also, dann eben beim nächsten Mal.

Unsere Route führte weiter Richtung Süden, wir verließen die äthiopischen Höhenlagen und fanden uns inmitten von Kaffeefeldern, Bananenstauden und Mangobäumen wieder. Es sah aus, als stünden wir mitten im äthiopischen Obstgarten. Ein kurzer Ausflug zu Stein-Stelen, die Gräber markieren, deren weitere Bedeutung aber bis heute nicht geklärt ist, brachte uns zwar kulturell nicht unbedingt weiter, dafür aber zum ersten Mal direkt in Kontakt mit den Einheimischen. Nach dem Aussteigen waren wir von Kindern umringt, die nach „Pen, pen“ oder auch „Heiland, Heiland“ fragt.

Schon während der letzten Tage hatten uns Kinder vom Straßenrand aus zugewunken und immer wieder „Heiland, Heiland!“ gerufen. Das hatte uns irgendwie irritiert. Europäische Allmachtsfantasien sind allerdings fehl am Platze, denn es geht den Kindern um leere Plastikflaschen. Und die nennen sie nach dem ersten in Äthiopien abgefüllten Mineralwasser „Highland“. Bei den Stelen also waren wir zum ersten Mal umringt von Kindern. Die mutigeren verlangten nach Kugelschreibern oder Wasserflaschen, die ängstlicheren versuchten, einmal diese so seltsam weiße Haut anzufassen. Mit mehr oder weniger Erfolg, je nachdem, wie nahe sie sich herantrauten. Ein durchaus interessantes Gefühl, so offensichtlich der „Ferenji“, der Fremde zu sein.

Wir fuhren weiter durch das Land der stolzen Borena und erreichten am frühen Nachmittag das Yabello-Motel. Einfach, aber zumindest halbwegs sauber und mit einem schönen Garten. Es wird sicherlichlich keinen Platz in unserer „Hotel-Hitliste“ bekommen, aber es gefiel uns auf jeden Fall besser als das Waba Shebele in Goba. Zeit zum Mittagessen, Reis mit Gemüse und kräftig Knobi. Und dann Dirk: Bewegungsmangel! Er hatte die langen Autofahrten so langsam satt und wünschte sich mehr Bewegung. Also gut, er sollte sie bekommen – und ich gleich drei Tage Muskelkater als Bonus oben drauf.

Das „House of Salt“ ist ein Kratersee, aus dem die Borena unter extrem gesundheitsfeindlichen Bedingungen schwarzes und weißes Salz abbauen. Man erreicht den See nur von oben, na klar, es ist eben ein Kratersee und man muss in den Krater hinein. Nun klingen 330 Höhenmeter vielleicht harmlos, sie sind aber auf gerade einmal 1,2 Kilometer verteilt und der Weg ist steinig, voller Geröll. Haile war dann auf dem Rückweg zusammen mit dem einheimischen Führer (für die Mädels nebenbei bemerkt: ein wirklich gutaussehender, charmanter Kerl!) auch noch der Meinung, Abkürzungen seien toll – ein bisschen steiler, na und? Während die beiden also in Bergziegen-Manier vor uns den Weg nach oben stürmten, kamen wir uns eher vor wie die Schildkröte, die da auf dem Weg hockte. Zugegeben, Dirk war wenigstens eine Turbo-Schildkröte, ich hingegen … Lassen wir das!

Wir schnauften ziemlich, als wir endlich wieder oben waren. Aber die Bewegung hatte uns gut getan, der Ausflug hatte sich gelohnt – nicht nur, weil wir beim Abendessen (endlich äthiopisch: Injera mit Lamm) so richtig Appetit hatten.